Georgien ─ Im Land der 1.000 Wunder
- UNESCO-Welterbe in Mzcheta
- Höhlenstadt Wardsia
- Beim Weinbauern in Kachetien
Wie die Welt zu Georgien kam und die Georgier zu ihrem Land, dazu erzählt man sich eine schöne Geschichte, und die geht so: Die Georgier hatten wieder einmal verschlafen. Dumm nur, dass Gott gerade allen Völkern der Welt ein Plätzchen zugewiesen hatte. Da standen sie nun, die Georgier, etwas ratlos zwar, aber typisch georgisch charmant. Mit einer Mischung aus Fröhlichkeit, Gewitztheit und Überredungskunst brachten sie Gott dazu, noch einmal zu überlegen, was er mit den Georgiern anfangen könne. Und er gab ihnen das Fleckchen, das er eigentlich für sich vorgesehen hatte.
Die Georgier hatten Glück. Bei einer Rundreise durch Georgien fällt dem Besucher sofort die immense geografische Vielfalt auf, die das Land von der Größe Irlands aufzuweisen hat. Georgien liegt auf einer Art Landbrücke zwischen zwei Meeren, dem Schwarzen Meer im Westen und weiter im Osten dem Kaspischen Meer. Im Norden wird die Landbrücke von einem massiven Gebirge begleitet. Über mehr als 1.000 Kilometer Länge zieht sich der Hohe Kaukasus wie eine natürliche Barriere zum historischen Russland durch das Land. Die höchsten Erhebungen: der Kasbek mit 5.047 und der Schchara mit 5.068 Metern Höhe. Ein bergiges Land ist also unser Georgien, mal zerklüftet, mal sanft: Hochtäler, Schluchten, Wiesen, Felder und Flussniederungen vereinen sich zu einer abwechslungsreichen und aufregenden Zauberwelt.
Abwechslungsreich ist auch die Geschichte des Landes, aber nicht einfach und schnell erzählt. Nun haben wir auf unserer Rundreise durch Georgien ja auch Zeit. Beginnen wir in der Hauptstadt Tbilissi. Nur wenige Häuser sind hier älter als 200 Jahre. 1795 brannten die Truppen des Persers Aga Mohammed Khan die Stadt bis auf die Grundmauern nieder – und er war nicht der erste im Laufe der Jahrhunderte. Heute hat man, weil die Häuser der Altstadt auf den alten Fundamenten wieder aufgebaut und viele der historischen Gebäude liebevoll restauriert wurden, trotzdem eine Vorstellung, wie es ausgesehen haben muss, das alte Tbilissi. In der Metechi-Kirche hören wir von der Gründung der Stadt an der „warmen Quelle“, die Antschischati-Kirche nimmt uns mit in das 6. Jahrhundert, ganz nah an die Geburtsstunde des georgischen Christentums im 4. Jahrhundert. In der Schatzkammer des Historischen Museums können wir uns schließlich den Fallstricken „georgischer“ Geschichte widmen. Wir lernen als Rüstzeug für die weiteren Entdeckungen unserer Rundreise in Georgien: Es ist komplex. Die ersten Spuren einer Hochkultur sind 5.000 Jahre alt, die Griechen handelten mit den Georgiern, die Römer machten das Land zum letzten Außenposten ihrer Zivilisation. Die Staatsgründungen des frühen und hohen Mittelalters sind vielfältig und verwirrend, wie ein Roter Faden zieht sich aber seither durch die Geschichte: Georgien steht an der Nahtstelle der großen rivalisierenden Machtblöcke der Welt. Ob es Seltschuken, Mongolen, Osmanen und Russen waren, sie alle vereinte ein strategisches Interesse an Georgien. Und die Georgier hatten ein Interesse, sich gegen die Fremden zu behaupten. Dass das gar nicht so einfach ist angesichts der ethnischen Vielfalt, die das Land seit Jahrhunderten prägt, können wir uns während unserer Rundreise durch Georgien vorstellen, wenn wir in die Gesichter der Menschen blicken. Uns schauen Abchasen, Adschiken, Tscherkessen, Tschetschenen, Karberdiner, Inguschen und Dagestaner an, Russen, Aserbaidschaner, Osseten und Kurden sind auch noch zugewandert. Völkervielfalt à la Georgien.
Geschichten gibt es viele zu erzählen aus der reichen Vergangenheit. Bei unserer Rundreise durch Georgien kommen wir in die Stadt Mzcheta, wenige Kilometer nördlich von Tbilissi. In der Swetizchoveli-Kirche aus dem 11. Jahrhundert ist schon der Name Legende: „Lebenspendender Stamm“ geht zurück auf den Ort, an dem der Leibrock Christi begraben wurde. Aus ihm wuchs eine mächtige Zeder und die wiederum nutzte die Missionarin Georgiens, die heilige Nino, im 4. Jahrhundert, um in Mzcheta eine Kirche zu bauen: Swetizchoveli. Die Nationalheilige Nino ist übrigens eine interessante Gestalt, der wir während unserer Rundreise in Georgien häufig begegnen. Die Mission der Syrerin, die Königin und König 337 überzeugte, sich taufen zu lassen, gab den weiteren Weg in einer Zeit vor, in der sich Georgien zwischen Rom und Persien entscheiden musste. Wie das ging? Eine weitere Legende! Am besten, wir erzählen sie während unserer Rundreise durch die Geschichte Georgiens in Kachetien im Osten, im Kloster der Heiligen in Bodbe, dort wo Nino begraben sein soll. In Kachetien bleibt uns Zeit für eine kulinarische Legende – im übertragenden Sinn. Denn legendär ist auch der georgische Wein, der seit über 4.000 Jahren in der Region angebaut wird. Eine Weinprobe ist hier ein Muss, und nach dem ersten Glas geht einem das Wort „kveri“ auch einfach von den Lippen. So heißen nämlich die dickwandigen Tonkrüge, in denen traditionell der Wein reifte.
Genießen wir bei unserer Rundreise durch Georgien noch einmal die unglaubliche natürliche Vielfalt des Landes und erfahren wir, dass nicht nur die Kirchen und Klöster Stoff für Legenden bieten. Im Süden sollten wir uns in Borjomi im Kleinen Kaukasus ein Glas Wasser gönnen. Solange Georgien zu Russland gehörte, war die Region berühmt für ihre Kurorte. Und Borjomi war der berühmteste. Denn das Wasser, das hier zu Tage tritt, stammte damals nachweislich aus der ersten mineralischen Quelle „Russlands“. Klar, das in solchem Wasser auch erstklassige Forellen zu Hause sind! Der letzte Besuch unserer Rundreise durch Georgien gilt aber dem Hohen Kaukasus. Wir stehen vor der Dreifaltigkeitskirche in Gergeti auf 2.170 Metern Höhe und schauen zum majestätischen Kasbek. Auch wenn es Zeus und die Griechen der Antike anders sahen: Eigentlich hatte Prometheus doch Glück, ausgerechnet hier angekettet gewesen zu werden, weil er den Menschen das Feuer gebracht hatte. Immerhin saß er mitten in dem Land, das Gott eigentlich für sich vorgesehen hatte.