Wie eine Schlange windet sich die Straße durch das höchste Gebirge Nordafrikas. Bis auf 4.167 Meter geht der Gipfel des Djebel Toubkal hinauf, im Winter liegt manchmal so viel Schnee, dass man die Passstraße nicht mehr befahren kann. Darüber müssen wir uns bei den rund 24 Grad, die bei unserem Besuch herrschen, jedoch keine Gedanken machen. Saftig grüne und tief rote Landschaften ziehen an uns vorbei, die an die Flagge Marokkos erinnern – an den fünfzackigen grünen Stern auf dunklem Rot.
Kiefernwälder, die durch eine aktive Aufforstung in der Gegend entstanden sind, bedecken das Gestein wie ein nadeliger Pelz. Etwas weiter oben herrschen Olivenhaine über die Landschaft. Vorbei geht es auch an Schafsherden, Rindern, frei laufenden Pferden, Maultieren, wilden Hunden, Menschen und kleinen Dörfern. Überbleibsel von Vulkanaktivität zeichnen das Gestein, silbrige Pappeln wiegen sich im Wind, leuchtend gelber Ginster blitzt hier und da zwischen den Felsen hervor, als wäre er mit einem Pinsel dort hinein getupft worden. Nach einer kurzen „biologischen Pause“, wie Hassan unsere regelmäßigen Raststopps nennt, kommen wir durch ein Gebiet, in dem Zedern aufgeforstet werden.
Im mittleren Atlas angekommen, ist es plötzlich sehr kahl, wegen der vielen Abholzung und der Höhe. Schiefergestein dominiert die Umgebung, gelb, grau und braun sind die Farben des Augenblicks. Ein Plateau am Wegesrand, das mit merkwürdigen weißen Kästchen gesäumt ist, die in der Sonne funkeln, zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Hassan erklärt, dass es sich dabei um Bienenstöcke handelt. Der Thymian Honig aus dieser Region ist in ganz Marokko bekannt.
Es ist ein Kaleidoskop aus Farben und Eindrücken, das uns über den Tichi’n’Tichka Pass begleitet und dann berühren plötzlich die Berge die Wolken. Hinter dem Pass verändert sich die Gegend wieder. Kakteen, Palmen und Dorngewächse übernehmen das Bild, in den kleineren Ortschaften herrscht inzwischen reges Leben. Obwohl wir alle kaum geschlafen haben, können wir nicht wegsehen. Viel zu spannend ist, was sich vor den Fenstern abspielt. Nach einer Fahrt, die so abwechslungsreich ist wie die Landschaft des Atlas Gebirges selbst, kommen wir gegen Mittag in Südmarokko an und aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.