Also stürzen wir uns sofort ins Getümmel. Es geht zur alten Stadtmauer, die sich auf drei Kilometern Länge und einem Kilometer Breite um den Stadtkern, die Medina, zieht. Durch eines der vielen Tore treten wir ein in eine andere Welt. „Wer nicht rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit zurück war, musste draußen schlafen“, erläutert Hassan, während er sich umsieht. Das ist natürlich längst nicht mehr so, heute bleiben die Tore Tag und Nacht geöffnet. Auch wir sehen uns um. Und dann entdecken wir ihn. Rashid. Ein unfassbar herzlicher Mann, in dessen Mund nur noch drei dunkle Zähne wohnen, was ihn jedoch nicht davon abhält, uns mit dem breitesten aller Lächeln zu empfangen. Er wird uns auf unserem Weg durch die Medina begleiten, denn mit ihren 900 Gassen (von denen 200 Sackgassen sind) kann man sich schnell verlaufen. Es gibt viele Tagelöhner wie ihn, die Touristen durch die Innenstadt führen und wir sind froh, ihn dabei zu haben. Immer wieder weist er uns auf besondere Orte oder Gebäude hin und gibt Acht, dass niemand aus der Gruppe verloren geht oder unter die Räder eines der vielen Motorräder gerät, die durch die engen Gassen brettern als gäbe es etwas zu gewinnen. „Schau mal, dort“, sagt er auf charmantem Deutsch und deutet auf einen Storch, der gerade majestätisch auf die Spitze des Minaretts gleitet. Das Minarett von Marrakesch war damals bis zu 30 Kilometer weit zu sehen und diente den Karawanen als Wegweiser auf ihrer Reise. „Und schau mal da!“ Wir stehen vor der ehemaligen Synagoge im einst jüdischen Viertel Mellah. Heute beherbergt das Gebäude kleine Souvenirgeschäfte, doch der Davidstern in der Fassade ist noch gut zu erkennen. „Inzwischen leben die meisten Menschen von früher in der Neustadt“, führt Hassan aus. „Dort ist auch die neue Synagoge.“